Samstag, 21.05.2005 Berlin – Danzig (550 km)

Nicht zum ersten Mal beginnt unser Urlaub damit, dass wir früh aufstehen und uns zu einer unchristlichen Zeit auf den Weg machen. Auch wenn wir heute nur bis Danzig fahren, so haben wir doch einiges an Strecke und entsprechend Fahrtzeit vor uns. Nach 150 km auf gut ausgebauten deutschen Autobahnen werden wir bereits langsam auf polnische Straßenverhältnisse eingestimmt. Die Grenzüberquerung bei Stettin verläuft problemlos und ohne Wartezeit. Am heutigen Samstag um kurz vor acht Uhr sind kaum LKW unterwegs. Die wenigen verbleibenden Autobahn-Kilometer in Polen erinnern eher an eine Teststrecke: ein Flickenteppich notdürftig ausgebesserter Asphaltplatten im Wechselspiel mit Kopfsteinpflaster. Gewöhnungsbedürftig sind auch die schmalen Landstraßen. Erfreulicherweise hält sich jedoch der Verkehr in Grenzen, so dass wir die erlaubten 90 km/h (in Ortschaften 60 km/h) weitestgehend auch fahren können.

Von Freunden mit Polen-Erfahrung wurden wir mit guten Ratschlägen und einer hervorragenden Straßenkarte ausgestattet. So gerüstet folgen wir der Empfehlung, Danzig nicht über die ausgeschilderten Bundesstraßen anzusteuern, da diese stärker von LKW befahren werden. Der Weg über Landstraßen ist zudem landschaftlich wesentlich reizvoller. Bei Sonnenschein und blauem Himmel fahren wir an gelb leuchtenden Rapsfeldern vorbei. Sanfte, sattgrüne Hügel und eine Vielzahl kleiner Seen und Weiher ziehen an uns vorüber und sogar einige Störche zeigen sich uns. Die kleinen Ortschaften und Siedlungen, die wir passieren wirken doch ziemlich ärmlich.

Gegen Mittag legen wir eine kleine Rast an einem idyllisch gelegenen See ein und erreichen am frühen Nachmittag Danzig. Zur Urlaubseinstimmung haben wir uns in das *****Dwor Oliwski-Hotel eingemietet, das einige Kilometer außerhalb des Stadtzentrums im Stadtviertel Olivia liegt. Eine sehr schöne, idyllisch gelegene Hotelanlage in einem ländlichen Vorort. Die Sterne sind unserer Meinung nach verdient.

Den verbleibenden Nachmittag widmen wir einer Erkundung der Danziger Altstadt. Hinter dem Nationalmuseum finden wir einen für deutsche Verhältnisse günstigen (2,00 € für drei Std.) bewachten Parkplatz.

Am Hohen Tor (leider derzeit eingerüstet) starten wir die Altstadtbesichtigung. Direkt dahinter passieren wir zunächst die Vortore der Langgasse, ein gotischer Verteidigungskomplex und stehen vor dem dekorativen Langgasser bzw. Goldenen Tor, das imposant den Eingang der Fußgängerzone markiert.

Danzig, Altstadt

Reste einer Befestigungsanlage, die im so genannten Strohturm (früher Pulverlager mit Strohdach) sind linker Hand, am Theaterplatz angrenzend zu sehen. Ein überirdischer Gang verbindet diesen mit dem sich anschließenden Großen Zeughaus. Der schöne Renaissancebau des früheren Waffen- und Kriegsgerätelagers, beherbergt heute die Kunstakademie sowie im unteren Teil eine Handelspassage, durch die wir hindurchgehend die Jopengasse erreichen. Vor dem Hintergrund der imposanten Marienkirche sehen wir die ersten sich aneinander reihenden hanseatisch geprägten Bürgerhäuser. In der auch als Salon von Danzig bekannten Langgasse findet man weitere sehr schöne Beispiele aufwändig restaurierter Bürgerhäuser, so z. B. das Uphagenhaus (Nr. 12), das Ferberhaus (Nr. 28), das Frederhaus (Nr. 29), das Löwenschloss (Nr. 35), das Haus Nr. 37, das Schumann-Haus (Nr. 45) sowie die Hausnummer 71, eins der wenigen Bürgerhäuser, das die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges überstanden hat.

Aus dem Ensemble ragt das Rechtstädtische Rathaus heraus. Für eine Besichtigung, insbesondere des Roten Saals, sind wir leider schon zu spät dran. Mitten auf dem Langen Markt fällt der Neptunbrunnen auf sowie die dahinter stehenden Gebäude Artushof und das Alte und Neue Schöffenhaus.

Danzig, Langgasse / Polen

Auch wenn man es beim Anblick der Altstadt kaum für möglich hält, die Freie Hansestadt Danzig wurde im Zweiten Weltkrieg zu 90 % zerstört und nach dem Krieg im alten Stil wieder neu aufgebaut. Somit sind fast alle Gebäude mehr oder weniger gleichzeitig restauriert wurden und das Altstadtbild wirkt dadurch etwas zu harmonisch.

Durch das Grüne Tor verlassen wir die Langgasse und erreichen den historischen Hafen an der Mottlau. Von der Grünen Brücke hat man einen schönen Blick auf das linker Hand liegende Bollwerk, auf dem sich Bürgerhäuser und wehrhafte Türme aneinander reihen. Im Hafen wendet gerade ein nostalgisches Schiff.

Nachdem wir die Lange Brücke aus der Nähe erkundet haben (erwähnenswert ist das Milchkannentor, das mit den zwei Türmen „Milchkanne“ und „Sahnekännchen“ ausgestattet ist), gehen wir durch das Frauentor auf die Marienkirche zu. Schon beim Betreten selbiger beeindruckt uns das ca. 30 m hohe Deckengewölbe, das von 26 Pfeilern gestützt wird. Hohe Fenster erleuchten die Kunstschätze im Innenraum. Nennenswert sind die Pieta (um 1410), eine Madonna (um 1420) sowie die 14 m hohe astronomische Uhr (um 1470).

Der etwas mühsame Aufstieg auf den über 76m hohen Turm (über 400 Stufen) ist sehr zu empfehlen. Sehenswert ist schon allein der Blick, den man von oben auf die Konstruktion des Deckengewölbes werfen kann. Von der Aussichtsplattform hat man einen sehr schönen Blick auf die Altstadt.

Danzig, Blick von der Marienkirche / Polen

In die Nikolaikirche – die älteste Kirche der Stadt – werfen wir nur einen flüchtigen Blick, da gerade der samstägliche Gottesdienst beginnt. Unser nächstes Ziel ist die Große Mühle aus dem Jahre 1350. Mit einem Ausmaß von 41 x 26m und angetrieben von 18 Mühlrädern war es einst der größte europäische Industriebetrieb. Davor steht das schön restaurierte Müllergewerkshaus (heute Restaurant mit einladendem Biergarten). Ganz in der Nähe erreichen wir das Altstädtische Rathaus. Damit beenden wir unseren Altstadtrundgang, der uns sehr gut gefallen hat. Einen Blick werfen wir noch auf das imposante Gebäude des Hauptbahnhofs. Mit dem Auto fahren wir am (Solidarnocz) Denkmal der gefallenen Werftarbeiter vorbei, das in der Nähe der Eingangstore zur Danziger Werft steht und an den Werftarbeiteraufstand erinnert. Vom Hafen bekommen wir nicht viel zu sehen, so dass wir zum Hotel zurück fahren. Hier lassen wir es uns im großzügigen Wellnessbereich gut gehen und den ersten Urlaubstag erschöpft ausklingen. zurueck

 

Sonntag, 22.05.2005 Danzig – Vilnius (570 km)

Ein weiterer Fahrtag auf dem Weg ins Baltikum steht uns bevor. Nach einem reichhaltigen Frühstück geht es bereits um 7:30 h los. Für eine Besichtigung des Schlosses Oliwski nebst Schlosspark, Kathedrale und Klosteranlage ist es leider noch zu früh. Der Blick, den wir auf das Schloss erhaschen können, ist aber viel versprechend.

Bei ähnlich schönem Wetter wie am Vortag fahren wir durch die Landschaft. Heute sehen wir noch viel mehr Störche, was die Erläuterungen aus unseren Reiseunterlagen stützt. Demnach nistet ein Drittel der weltweiten Population an Weißstörchen (ca. 50.000 jährlich) – aus wissenschaftlich bislang ungeklärten Gründen – auf polnischem Boden. Es wundert also nicht, dass jede Siedlung mindestens ein Storchennest aufweisen kann. Die Störche kehren im Frühjahr aus ihrem Winterquartier zurück und sind zunächst mit dem Nestbau beschäftigt. Die Horste haben einen Durchmesser von 90 – 200 cm und wiegen zwischen 500 und 1.250 kg. Ende Mai kann man die Weißstörche beim Nisten beobachten.

Auch heute fällt es uns nicht schwer, einen idyllisch gelegenen See für eine Picknickpause zu finden. Von dem -durch den nicht sehr ökologie-orientierten Kommunismus- geschädigtem Ökosystem und der damit verbundenen Umweltverschmutzung spüren wir erstaunlicherweise nicht viel. Entweder haben die durch EU-Gelder ermöglichten Kläranlagen und Aufforstungen schon spürbar gefruchtet oder das von uns durchfahrene Gebiet war weniger stark betroffen.

>> Lesen Sie auch unseren Baltikum-Reisebericht 

Letzte Aktualisierung: Juni 2005 - © Anke Schlingemann und Detlef Hälker