Antarktische Halbinsel
Weddellmeer - Antarctic Sound
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Mittwoch, 03.02.2016 Seetag mit Kurs auf die Antarktische Halbinsel
Temperatur 2° C, bewölkt
Gefühlt sind wir die ganze Nacht Achterbahn gefahren. Die MS Bremen stampfte in der Scotia See. Wind und Wellen kamen uns genau entgegen. Abgesehen von zwei Plastikwasserflaschen, die bei einer besonders starken Welle vom Tisch fielen, ist alles an seinem Platz geblieben und auch unsere Befürchtung, aus dem Bett zu fallen, ist erfreulicherweise nicht eingetreten.
Beim Frühstück treffen wir - dem Seegang geschuldet - relativ wenig Mitreisende, doch der Kabinenservice sorgt dafür, dass an Bord niemand verhungert. Auf See wird empfohlen auch bei Übelkeit etwas zu essen, um den Magen zu beschäftigen.
Über den Tag verteilt werden wieder unterschiedliche Experten-Vorträge angeboten und Lesen ist ein willkommener Zeitvertreib.
Gegen Mittag nimmt der Wellengang erfreulicherweise ab. So kann die Führung durch den Maschinenraum stattfinden. Das Schiff könnte auch aus der Maschinen-Schaltzentrale gesteuert werden. Darüber hinaus werden die Wasseraufbereitung, die Klimaanlage, die Müllaufbereitung und alle sonstigen technischen Prozesse gesteuert. Auf dem anschließenden Rundgang durch den Maschinenraum befinden wir uns 2,5 Meter unterhalb des Meeresspiegels und sind froh über den ausgehändigten Gehörschutz.
Blick in den Maschinenraum der MS Bremen
Pro Person und Tag werden etwa 320 Liter Wasser benötigt, der größte Teil allerdings für die kontinuierliche Entsalzung des Schiffes. Spannend ist auch der Blick in den Werkzeugraum, der entsprechend ausgestattet ist, um Reparaturen bei Bedarf selber mit zum Teil viel Improvisation durchführen zu können.
Bei ruhigerer See ist das Restaurant abends schon fast wieder komplett besetzt, doch viele Mitreisende haben ein Pflaster gegen Seekrankheit hinter dem Ohr kleben.
Donnerstag, 04.02.2016 Seetag - Kurs auf Paulet Island - Weddellmeer
Temperatur -2° C, bewölkt
Die Nacht war erfreulicherweise ruhig, so dass wir auch dank der einstündigen Zeitverschiebung etwas Schlaf nachholen konnten. Die ersten größeren Eisberge sind zu entdecken und immer wieder tauchen einige Wale auf. Der Kapitän hat allerdings angeordnet, die ruhige See zu nutzen und Strecke zu machen. Keine Zeit also für einen Wal-Stopp.
Inzwischen haben wir den Südlichen Ozean erreicht und befinden uns südlich des 60. Breitengrades. Unter dem Begriff Südlicher Ozean (früher Südliches Eismeer) werden die Meeresgebiete zusammengefasst, die den 6. Kontinent umgeben. Zum Teil gibt es Überschneidungen mit der Antarktischen Konvergenz. In der Konvergenzzone, die unregelmäßig zwischen dem 50. Und 60. Breitengrad verläuft, treffen die kalten Wassermassen des Südlichen Ozeans auf die warmen Wassermassen des Nordens aufeinander.
Eisberge im Südlichen Ozean
Ein Meereis-Vortrag führt uns in die unterschiedlichen Eistypen ein. Immerhin wussten wir schon, dass Salzwasser erst bei -1,89° C friert. Nun werden wir mit den Unterschieden von Pfannkucheneis, Packeis bzw. Ankereis (etwa 2 m dick) und 10 - 20 m dickem Presseisrücken vertraut gemacht und freuen uns schon darauf, dies hoffentlich bald mit eigenen Augen zu sehen. Interessant ist, dass es Flächen (sogenannte Polynja) gibt, die immer eisfrei bleiben. Lebensnotwendig für einige Tiere, wie beispielsweise Wale, die diese zum Atmen benötigen.
Abends wird die See wieder rauer und wir stellen uns auf eine schaukelige Nacht ein.
Freitag, 05.02.2016 Weddellmeer: Paulet Island - Devil Island
Temperatur 0° - 2° C, meist sonnig und sehr windig
Am frühen Morgen werden wir von dem Geräusch von zerberstendem Eis geweckt. Es handelt sich erfreulicherweise aber nur um eine größere Eisscholle, die das Schiff spielerisch passieren kann. Das Schiff ist für Packeis mit einer bis zu 90 prozentigen Eisabdeckung ausgelegt.
Inzwischen sind wir soweit südlich, dass es nachts nicht mehr ganz dunkel wird. Die Eisbergdichte hat stark zugenommen und zum Teil ziehen riesige Tafeleisberge an uns vorbei.
Zum Sonnenaufgang um 4:46 Uhr ist es leider noch stark bewölkt. Planmäßig erreichen wir gegen 7 Uhr Paulet Island. Etwa 814 Seemeilen liegen hinter uns, seitdem wir Südgeorgien verlassen haben.
Paulet Island im Weddellmeer
Die kleine Vulkaninsel misst knapp zwei Kilometer im Durchmesser. In unterschiedlichen Brauntönen ragt das Basaltgebirge heraus.
Bei Schneegestöber wird vom Scout-Team eine passende Anlandestelle am groben Kiesstrand gesucht. Wie bestellt verziehen sich die Wolken schon bald und wir können die Anlandung bei blauem Himmel genießen.
Adeliepinguine
Auf Paulet Island herrschen ideale Bedingungen für eine Adelie-Pinguin-Kolonie. Etwa 100.000 Brutpaare soll es auf der kleinen Insel geben. Überwiegend sehen wir die plüschigen Jungvögel. Die Eltern sind im Meer auf Futtersuche. Hin und wieder können wir beobachten, wie ein oder zwei Küken schreiend hinter einem Elternteil herlaufen. Ob Weibchen oder Männchen lässt sich den Vögeln nicht ansehen. Pinguine wechseln sich sowohl beim Brüten als auch beim Füttern ab. Fast hat es den Anschein, als sei der Altvogel auf der Flucht. Doch diese Jagd ist ein Training. Bald darauf bleibt das Tier stehen und die Fütterung beginnt.
Adeliepinguin mit hungrigen zwei Jungen
Am Strand ist zu beobachten, wie die Altvögel in größeren Gruppen ins Wasser springen. Die Gemeinschaft bietet den einzelnen Vögeln einen größeren Schutz vor dem Seeleoparden, den wir ebenfalls im Meer sichten.
Zurück auf dem Schiff ergötzen wir uns am Anblick der farbenfrohen Vulkaninsel, die einen wunderschönen Kontrast zu den Eisbergen bietet.
Der Anker wird eingeholt. Bei Bilderbuchwetter ziehen die Eisberge an uns vorbei. Der kalte Wind lässt uns allerdings schon bald Zuflucht in der Panoramalounge suchen.
Auf unserem Weg nach Devil Island (44 Seemeilen) kommen wir auch an der kleinen Insel Rosalie Island vorbei.
Auch Devil Island ist nur 1,6 km lang und vulkanischen Ursprungs. Am Hang hat sich eine große Adelie-Pinguin-Kolonie zum Brüten angesiedelt. Erst nach mehreren Anläufen hält der Anker im unruhigen Wasser. Leider kommt das Scout-Boot unverrichteter Dinge zurück. Eine Anlandung ist aufgrund der schmalen Küste nicht möglich, ohne zu stark in den Lebensraum der Tiere einzudringen und diese zu stören. Doch so richtig traurig sind wir nicht, da wir dieses Erlebnis bereits am Morgen ausgiebig genießen durften.
Bei strahlendem Sonnenschein und wolkenlos blauem Himmel genießen wir auf dem Sonnendeck die Ausblicke auf die vorbeiziehende Landschaft. Das Schiff steuert durch den Prinz-Gustav-Kanal. Die Eisberge werden größer und im Hintergrund erheben sich die endlosen weißen Gebirgszüge der Antarktischen Halbinsel.
Wir nähern uns einer riesigen Packeisfläche in der Duse Bay. Statt beizudrehen fahren wir geradewegs hinein und der Kapitän scheint Freude daran zu haben, die Eistauglichkeit der MS Bremen vorzuführen. Sogar das vordere Arbeitsdeck, das normalerweise ausschließlich der Crew vorbehalten ist, wird für uns geöffnet. Hautnah können wir bestaunen, wie das Schiff selbst größere Eisblöcke zerteilt. Das Eis knirscht und knackt am verstärkten Bug des Schiffes. Ein unvergessliches und atemberaubendes Erlebnis.
Packeis
Als wir verspätet zum Abendessen aufbrechen wollen, bekommen wir beim Blick aus dem Kabinenfenster ein etwas mulmiges Gefühl. Das Schiff scheint im Eis festzustecken. Der Kapitän behält allerdings seine Gemütsruhe und verlässt die Brücke um ebenfalls zu Abend zu essen. Doch schon bald nimmt die MS Bremen wieder Fahrt auf. Orkas werden gesichtet. Hastig beenden wir das Abendessen und versuchen einige der wenigen guten Blicke auf die Killerwale zu erhaschen. An die 20 Tiere tummeln sich im Wasser. Von einer hohen braunen Felswand auf Vega Island plätschern im Hintergrund Wasserfälle ins Meer hinab.
Samstag, 06.02.2016 Weddellmeer: Antarctic Sound - Base Esperanza - Brown Bluff
Die MS Bremen nimmt am frühen Morgen wieder Fahrt auf. Erstmalig können wir um 4:43 Uhr einen tollen wolkenfreien Sonnenaufgang genießen. Auch einige mit Pinguinen und einer Pelzrobbe besetzte Eisschollen ziehen vorbei.
Wir befinden uns im Antarctic Sound . Dieser 55 km lange und 12 bis 22 km breite Sund trennt Joinville Island von der Antarktischen Halbinsel.
Gegen 8 Uhr gehen wir in der Hope Bay auf Reede. Während alle Vorbereitungen für die Anlandung getroffen werden, können wir einen Seeleoparden, der sich mit Pinguinen eine Eisscholle teilt, beobachten. Vom Zodiac-Motor aufgeschreckt lässt er sich langsam ins Wasser gleiten.
In der Hope Bay liegt die argentinische Forschungsstation Base Esperanza mit ihren roten Gebäuden. Die Station wurde 1952 gegründet und ist ganzjährig besiedelt. Aktuell leben 44 Menschen hier, darunter acht Kinder im Alter zwischen 18 Monaten und 17 Jahren.
Base Esperanza
Erstmalig betreten wir das antarktische Festland. Bei einer Führung besichtigen wir das kleine Museum und die Schule, die auch als Kindergarten genutzt wird. Keine Einblicke erhalten wir in die Forschungen und ein wenig haben wir den Eindruck, dass es bei der Besiedlung eher um Prestige bzw. territoriale Besitzansprüche geht.
Nach dem schönen Ausflug auf dem 6. Kontinent erfolgt erneut eine wetterbedingte Planänderung. Statt in die aufziehenden Wolken in Richtung Gourdin Island aufzubrechen, nimmt die MS Bremen Kurs auf Brown Bluff in etwa acht Seemeilen Entfernung.
Brown Bluff
Bei strahlendem Sonnenschein erwartet uns mit Brown Bluff ein wahres Naturparadies. Die in unterschiedlichen Brauntönen leuchtenden Basaltberge bieten einen hervorragenden Kontrast zum strahlendweißem bzw. bläulich schimmernden Eis. Entstanden ist das schroffe Basaltgebirge bei einem Vulkanausbruch unter dem Eis. Dicke Felsbrocken liegen am steinigen Kiesstrand.
Brown Bluff im Antarctic Sound
Tide-bedingt haben wir eine etwas raue Anlandung an der felsigen Küste. In skurrilen Formen schwimmen Eisbrocken im Wasser, auf denen sich häufig Pinguine tummeln. Es gibt eine große Adelie- und Eselspinguin-Kolonie. Groß genug, um mindestens vier Seeleoparden, die auf dem Eis faulenzen, zu ernähren.
An dem Pinguin-Schauspiel können wir uns kaum satt sehen. Laut schreiend laufen immer wieder plüschige Küken hinter einem Altvogel-Elternteil hinterher. Diese erkennen ihre Brut an der Stimme. Reicht es mit der stärkenden sportlichen Ertüchtigung, erbarmt sich schlussendlich der Altvogel und die Fütterung findet statt. Im Wasser ist ebenfalls einiges los. Auf einigen Eisschollen sind Pinguine, die immer wieder aufgeregt hintereinander herlaufen, um eine geeignete Stelle für den Kopfsprung ins Wasser zu finden. Ist diese gefunden, springen die Pinguine nacheinander ab.
Am späten Nachmittag nimmt die MS Bremen erneut Fahrt auf. Im Antarctic Sound kommen wir an zum Teil endlos erscheinenden Tafeleisbergen vorbei. Das Schelfeis ist auf dem an einigen Stellen nur etwa 180 m tiefen Grund aufgelaufen und sitzt fest. So ist ein sogenannter Eisbergfriedhof entstanden.
Eine fantastische Reise beginnt:
>> Fortsetzung: Südshetlandinseln
Weitere Reiseberichte dieser fantastischen Reise:
Buenos Aires - Ushuaia - Tierra del Fuego (Feuerland) - Falklandinseln - Südgeorgien - Südshetlandinseln